Auf dieser Seite finden Sie: Veröffentlichungen und Ankündigungen in »Lyrik« und »Prosa« sowie eine kurze Geschichte meiner Geschichten.
Romanprojekt
»Als zweierlei gelten das Sein und das Nichtsein.«
Euripides, »Alkestis«
In meinem Roman zum Thema Verlust und Erinnerung begegnen sich drei Personen an einem Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfallen.
Wie lässt es sich im Heute leben, wenn Erinnerungen uns immer wieder ins Gestern ziehen?
Veröffentlichung in Syltse, #004, »anders«, 2020.
Lass mich in deiner Kuhle hausen, mit nichts als der Ahnung von dir, lass mich in deiner Beuge liegen, in der Erinnerung an früher. Ich möcht mich in deine Kreisform schmiegen, dorthin, wo du zurückkehrst zu mir.
Ich sitze in deinem Schrank und zähle die Motten die sich eingenistet haben seitdem du fort bist. In deine Ärmel Beine und Hüte, in deine Streifen und Farben und Punkte die leuchten noch immer. Seitdem du fort bist wohne ich mit den Motten in deinen Ärmeln Beinen und Hüten in deinem Schrank.
Am Tag des Jahrmarkts ziehen die Ratten über das Feld und dringen in das Fundament der Häuser derweil deren Bewohner drüben auf dem Marktplatz das Kettenkarussell besteigen und das Ticket lösen für die Geisterbahn und wo ihnen auch das Spiegelkabinett süße Verwirrung stiftet. Und die Ratten klettern in die Schächte nagen und kratzen grobe Risse ins Dach und spielen – ohne Bosheit – die Dämmwolle zu den Abwasserrohren hinaus, auf die Straße, in die Gassen, hinunter auf die Höfe. Sie essen nicht mehr auswärts sie zehren jetzt von Innen von denen, die nicht zurück sind die noch steigen und fallen, und heiser sich schreien, bis ihnen die Luft stockt hinter dem dichten Flaum alter Zuckerwatte. Bei ihrer Rückkehr schwanken in allen Gassen die Häuser – die Bewohner, die Nachbarn, erst denken sie nichts und dann: – es ist wohl in den Beinen der Schwindel des Karussels bloß, ja den Kopf stopfen uns noch die Geister der Bahn, die scheppernd ihr Mahnen geheult haben, und was wir noch immer da vor uns sehn, Augen wund und wehe, ist nichts als der Blick aus dem Labyrinth blinder Spiegel.
Veröffentlichung in Versnetze 13
Schulbank Sie hatten mir zu Essen gegeben: Papier, Feder, Tinte und Sand. Unter Nägel und Haut geritzt und gekratzt: Gefühle, Fakten, nur ja keine Fragen Über dem Kopf flatternd, stets hungrig, der Argwohn, es sei noch viel mehr hinter den Fenstern und in den Laden der kleinen Tische was in die Bücher sich nicht hinein-, oder was sich vor langer Zeit aus ihnen heraus- geschlichen hatte.
Veröffentlicht in: Versnetze_13. Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart. Herausgegeben von Axel Kutsch. Verlag Ralf Liebe, 2020.
Veröffentlichung Kempener Literaturwettbewerb 2019
Der See Wenn ich an den See denke auf dessen Grund jene Erinnerung wartet auf mich An einen Sommer als deine Augen wie deine Hände leicht auf mir ruhn und deine sandigen Füße den Steg entlang sonnengebräunt bis zum Rand gehen und du mit einem Ruf der wie alles an dir so leise ist zum Sprung ansetzt über die Kante und der grüne See schluckt dich ganz zuerst deine Füße und gleich alles von dir in einem Augenblick bist du fort vom Zeh bis zu den Locken Dann bin ich noch immer jetzt und hier verblüfft über diese Nähe von Abgrund und Glück.
Veröffentlicht in: Von Abgrund und Glück. 7. Kempener Literaturwettbewerb. Stadt Kempen. BVK Buch Verlag, 2019
Ich freue mich über die Veröffentlichung im Rahmen der Literaturwettbewerbs. Und darüber, dass mein letzter Vers zum Buchtitel geworden ist …
Veröffentlichung Versnetze_zwölf
Auf dem Weg nach unten löschst du die Briefköpfe und sagst Meine Worte sollen an jeden gehen Aber meine Schuhe können nicht bleiben sie müssen vors Haus und du Kind wirst ob du willst oder nicht fortan darin stehen.
In deinen Nabel den Haken gespannt Das Seil von Decke zu Wand Den Kopf in die Spindel gebunden in schnellen Lauf das Rad noch gewunden Die Hände zum Fenster hinaus und die Füße in die Pfütze vorm Haus Die Augen dabei in meine Richtung verkehrt Im Kleeblatt Deine Perspektive bleibt unversehrt
Veröffentlicht in: Versnetze_zwölf. Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart. Herausgegeben von Axel Kutsch. Verlag Ralf Liebe, 2019.
KURZE GESCHICHTE MEINER GESCHICHTEN
Frühe Geschichten
Die erste kleine Lesung einer eigenen Geschichte vor Publikum hatte ich, wie wohl hierzulande jede*r Schüler*in, in der Grundschule. Ein Junge fliegt auf einem Kissen zum Fenster hinaus und entdeckt auf seinem nächtlichen Ausflug ihm bisher unbekannte Dinge, die sich bei Tage nicht ereignen. Die Klasse lauschte; anschließend wurde ich für den ›Vorlesewettbewerb‹ der Schule ausgewählt und bekam den dritten Platz. In der 6. Klasse wiederholte sich das Ereignis, auch diese eigene Geschichte handelte von einer Fantasiereise. Die schüchterne Schülerin, die ich damals war, konnte es nicht fassen: Sogar die Jungsbande, die mir das Schulleben sonst so schwer machte, kam nach der Stunde zu mir, weil sie »das irgendwie ganz gut« fanden.
Erste Stoffe
Meine ersten Geschichten jenseits von Schulaufgaben schrieb ich im Alter von zwölf Jahren. Damals spielten Figuren aus den Serien, die ich gern sah, und später aus meiner Lieblingsband die Hauptrolle. Sie alle hatten Konflikte rund um eine unmögliche Liebe oder innerhalb problematischer familiärer Konstellationen auszutragen. Den Figuren war in vielen Fällen außerdem eine große Zuneigung zu alten Häusern und zur Natur gemeinsam.
Literaturkurs
Durch einen Literaturkurs lernte ich schließlich, dass man nicht nur mit dem Was, der Handlung, sondern auch durch das Wie (Klang, Rhythmus, Wortwahl, Metaphern u.s.w.) Vorstellungen erschafft. Schon damals interessierten mich die inneren Bewegungen von Figuren und ihre Wahrnehmungen stärker als äußere Handlungen, die für mich hinter Gedanken, Sinneseindrücken und Empfindungen der Figuren zurück blieben. Das ist bis heute so. Der Kurs schloss ab mit einer Lesung in der Schulaula, meiner ersten vor einem Publikum, das nicht nur aus Mitschüler*innen bestand.
Späte Rückkehr
Nach der Schule folgten Jahre an Theatern und Universitäten; ich schrieb lange ›nur‹ wissenschaftlich, zudem Artikel, Programmtexte, Kritiken und natürlich meine Doktorarbeit.
Das Thema von im Doppelsinn ›aufgehobener‹ Erinnerung an besonderen Orten hatte mich schon länger beschäftigt, als ich auf einer Reise auf die Ruine eines einst prächtigen Hotels stieß. Von diesem Eindruck aus, der Vergangenheit und Gegenwart in einem Spannungsverhältnis und in nur einem Bild erfahrbar machte, begann ich mit einem Romanprojekt.
Neben diesem Projekt schreibe ich seit vergangenem Jahr auch Lyrik (veröffentlicht bisher in Versnetze_13, Versnetze _zwölf und in Von Abgrund und Glück. 7. Kempener Literaturwettbewerb 2019) und Kurzgeschichten.
Und warum eigentlich?
Ich schreibe, weil mich die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven, Wahrnehmungen und Weltzugänge einnehmen zu können, interessiert. Diese Möglichkeit eint das Schreiben mit dem Theater. Ich kann imaginieren, wie jemand handeln und empfinden könnte, der eine bestimmte besondere oder auch gar nicht so besondere Situation erlebt. Ich kann durch Augen schauen, die nicht meine sind, und Reisen auch an Orte unternehmen, an denen ich nie war oder die überhaupt nicht existieren. Ich kann Zeiten umspannen, dehnen, suspendieren und Menschen ihre Gegenwart genießen, leugnen oder vergessen lassen – das gilt für die Figuren und hoffenlich auch für Leser*innen.
Fotos: Privat
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